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Gewalt mit schlimmen Folgen

Eine solche Schulstunde in Sachen Gewaltprävention wie jetzt hat es an der Fünf-Täler-Schule In Calmbach wohl noch nicht gegeben. Vor den Schülern stand kein Lehrer wie etwa in Deutsch oder Mathematik. Auch kein pädagogisch geschulter Referent, der in geschliffenen Worten die Schüler vor den Folgen von Gewalt warnte. Dafür aber mit Christoph Rickels ein von brutaler Gewalt betroffener Mann in Begleitung eines Assistenten im Rollstuhl. Wohl kaum jemand anders hätte beeindruckender schildern können, welche drastischen Folgen Gewalt auslösen kann. Sowohl für den Täter wie auch für den Betroffenen wie eben für ihn, der dadurch zum Schwerbehinderten wurde und seinen erschütternden ganz persönlichen Fall von erlittener Gewalt den Schülern näherbrachte. Vermittelt wurde die aufrüttelnde Schulstunde den Klassen 8a und 8 b der Werkrealschule sowie den Klassen 8 c und 8 d der Realschule im Rahmen des bundesweiten Präventionsprogramms „Respekt Coaches“ vom Internationalen Bund (IB) mit seinem Bildungszentrum Nordschwarzwald und seiner Nebenstelle in Calw. Konkreter gesagt seitens Ralf Gaus (Enzklösterle) als IB-Beauftragter für die Calmbacher Fünf-Täler-Schule. Ziel des Präventionsprogrammes ist ein respekt- und verständnisvolles Miteinander an Schulen.

Wie der 29. September 2007 sein Leben in Sekundenschnelle veränderte, schilderte der in Ostfriesland aufgewachsene Christoph Rickels in erschütternden Worten. Sein Traumberuf wäre Polizeibeamter im gehobenen Dienst gewesen, doch dazu reichten die Schulzeugnisnoten nicht aus. Eine zweite Chance für die Erfüllung seines Berufswunsches hätte ihm der Feldjägerdienst der Bundeswehr im Jahr 2007 eröffnet. Aber nur fast. Zwischen der ihm erteilten Einstellungszusage und seinem Dienstantritt lag eine verhängnisvolle Abschiedsfeier mit Freunden in einer Diskothek bei Jever, bei deren Verlassen er von einem eifersüchtigen Mitbesucher überfallen wurde. Der von einer Video-Überwachungskamera vor der Diskothek aufgenommene und den Schülern gezeigte Schlag gegen seinen Kopf war weniger schlimm als der Aufschlag des Kopfes auf dem Steinboden. Unter anderem mit einer sechsfachen Hirnblutung und einem viermonatigen Koma als lebensbedrohliche Folge, aus welcher er sich aber mit viel Energie ins Leben zurückkämpfen konnte. Allerdings ohne Erinnerungsvermögen an die vorhergegangenen Monate mit langwierigen Klinikaufenthalten zur Behandlung schwerwiegender irreparabler gesundheitlicher Schäden mit einer 80-prozentigen Behinderung. Aus dieser Situation heraus entwickelte er das Unternehmenskonzept „First- Togetherness“, das ihn zusammen mit einem Personal-Assistenten schon an viele Schulen und jetzt auch über den „Internationalen Bund“ und Ralf Gaus an die Calmbacher Fünf-Täler-Schule geführt hat.

Neben der Schilderung seines eigenen Schicksals ging er auch auf den Lebensweg des Täters ein, der nach Jugendstrafrecht zu zwei Jahren und zwei Monaten Gefängnis auf Bewährung verurteilt wurde. Die Bewährungsfrist ist längst abgelaufen. An was dieser aber mindestens genau so heftig wie er leidet, sind die Folgen seiner Tat bis hinein in den finanziellen Bereich, die er wohl lebenslang nie wieder loswerden wird. „Nicht nur ich bin kaputt, auch der Täter ist das!“ so Christoph Rickels. Vor diesem Hintergrund ging er auf mögliche alltägliche Situationen ein, wie sie sich auch schon auf einem Schulhof oder in der Freizeit ereignen können. Auch bei der vielzitierten negativen „Coolness“, die zuweilen gar nicht so „cool“ sei. „Wenn ihr „cool“ sein wollt, müsst ihr verstehen, was „cool“ ist“, war seine Empfehlung, weil dieser Begriff über eine lange Zeit hinweg falsch verstanden worden sei. Und seine Antwort darauf: „Bleibt zu euch selber „cool“! Hinsichtlich schlechter Videos mit Gewalt vermittelnden Inhalten warnte er davor, diese zu teilen und dadurch zu verbreiten. „Viele denken, dass Gewalt den „coolen Macker“ aus euch macht. Gewalt macht aber nur kaputt, das sieht man an mir!“, war seine eindringliche Mahnung und Warnung. In seinen weiteren Ausführungen vermittelte er den Schülern aber auch Hilfestellungen und Tipps dafür, an sich selber zu glauben, an sich zu arbeiten und sich Selbstvertrauen als Stärkung fürs Leben aufzubauen.

Schulleiter Guido Störk zeigte sich ebenso wie die Klassenlehrer beeindruckt von der besonderen Schulstunde der vier Klassen. Gelte es doch nicht nur, den Schülern schulisches Wissen beizubringen, sondern diese mit entsprechenden Angeboten für ihr Leben zu stärken, so der Schulleiter der Calmbacher Fünf-Täler-Schule.

 

Info:

Für sein Unternehmenskonzept „First-Togetherness“ und für seine Arbeit wurde Christoph Rickels mit mehreren Auszeichnungen bedacht: Mit dem Preis für Zivilcourage des Landes Niedersachsen im Jahr 2012, mit dem „Bündnispreis für Engagement – Botschafter für Demokratie und Toleranz“ vom ehemaligen Bundes-innenminister De Maizière und vom einstigen Justizminister Heiko Maas im Jahr 2015 sowie mit der Verdienstmedaille der Bundesrepublik Deutschland, verliehen von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Jahr 2019.

 

Bericht und Bild: Heinz Ziegelbauer

 

 

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