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Presseartikel: Live-Stream mit Politologe Ingo Espenschied zu „70 Jahre SchumanPlan“ an der FTS

Kompakte, multimediale Zeitreise durch die Geschichte Europas

 

Live-Stream mit Politologe Ingo Espenschied zu „70 Jahre Schuman-Plan“ an der Fünf-Täler-Schule

 

Zum wiederholten Mal gab es an der Fünf-Täler-Schule in Calmbach eine Veranstaltung mit Ingo Espenschied von DokuLive. Wegen der Coronapandemie sprach der Journalist und Politologe allerdings nicht live vor Ort, sondern aus seinem eigens eingerichteten Studio in Mainz über einen Youtube-Kanal zu den Schülern der Jahrgangsstufen neun und zehn. Thema des zwei Schulstunden umfassenden Vortrags mit Live-Chat am vergangenen Donnerstag war „70 Jahre Schuman-Plan“. Bereits im Oktober 2018 referierte Espenschied in Stuttgart vor den neunten Klassen der Fünf-Täler-Schule zu „Demokratie, Europa und das Europäische Parlament“. Einen Monat später gab es an der Calmbacher Bildungseinrichtung für die neunten und zehnten Klassen nochmals eine Unterrichtseinheit mit dem DokuLive-Team zum Thema „Europa und der Erste Weltkrieg – die Friedensbotschaft von Fiquelmont“. „Und weil die Fachlehrer damals so zufrieden waren, haben wir Herrn Espenschied nochmals nach Calmbach eingeladen“, so Organisator Ralf Gaus, Respektcoach beim Internationalen Bund. Finanziert wurde bzw. wird das Ganze aus den Förderprogrammen des Bundesprogramms „Respekt Coaches“.

 

„Montanunion“ wird erste Europäische Gemeinschaft

 

In ihren Klassenzimmern verfolgten die Schüler per Livestream den als „multimediale Zeitreise in die Geschichte Europas“ angekündigten Vortrag. Zuvor hatten die Fachlehrer mit Unterstützung von Katrione Lutzyk und Ralf Gaus, die das Ganze von zuhause aus verfolgten, die Online-Verbindung nach Mainz eingerichtet. Diese hat laut der beteiligten Lehrkräfte – bis auf anfängliche Zuschaltprobleme und einige Verzögerungen bei der Bildübertragung – die ganze Zeit über gut funktioniert. Jeder Schüler hatte die Möglichkeit, Fragen zu stellen oder Kommentare zu äußern. Diese wurden von den anwesenden Fachlehrern über die Chatfunktion eingegeben und zwischen den vier Präsentationsblöcken von Ingo Espenschied beantwortet. Mit dem im Mai 1950 vom damaligen französischen Außenminister Robert Schuman vorgeschlagenen gemeinsamen Markt für Kohle und Stahl als ersten Schritt zu einem „Europäischen Bundesstaat“ stieg Espenschied in seine Zeitreise ein. Als roter Faden fungierte ihm dabei eine Kurve, welche die Entwicklung von den ersten Anstrengungen für einen Staatenbund bis hin zur heutigen Europäischen Union (EU) mit all ihren Turbulenzen, Höhen und Tiefen aufzeigt. Ausgehend von den Auseinandersetzungen im und um das deutsch-französische Grenzgebiet, die seit der Reichsteilung unter Karl dem Großen im Jahr 843 immer wieder zu Konflikten zwischen Frankreich und Deutschland führten, über den deutsch-französischen Krieg, den Ersten Weltkrieg, die Weltwirtschaftskrise und den Zweiten Weltkrieg, zeigte der Politologe die schwierigen Beziehungen der einstigen „Erzfeinde“ und die Entwicklung des „Europagedankens“ auf. Neuralgischer Punkt einer Annäherung zwischen Deutschland und Frankreich nach dem Zweiten Weltkrieg waren laut Espenschied die unterschiedlich verteilten Kohle- und Eisenerzvorkommen in Westeuropa. Der französische Wirtschaftsfachmann Jean Monnet sah in einer Zusammenarbeit auf diesem Gebiet eine Win-Win-Situation für beide Seiten beim Wiederaufbau. Auf seinen Vorschlag hin erstellte Schuman den nach ihm benannten Plan, dessen Entwurf am 8. Mai dem deutschen Kanzler Konrad Adenauer überbracht wurde. „Mit dessen Zustimmung war die erste Hürde genommen und nach der Verabschiedung im französischen Parlament der Grundstein einer europäischen Föderation gelegt“, so Espenschied. Bei einer gemeinsamen Konferenz in Paris, an der die Länder Deutschland, Frankreich, Luxemburg, Italien, Belgien und die Niederlande beteiligt waren, einigte man sich am 18. Mai auf die Schaffung der „Montanunion“, einer supranationalen Institution mit Sitz in Luxemburg, die gemeinsame Regelungen für alle Mitgliedstaaten treffen konnte. Im März 1957 folgten auf die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl zwei weitere, die EURATOM als atomare und die EWG als Wirtschaftsgemeinschaft mit Unterzeichnung durch die Vertreter der sechs Länder in Rom.

 

Einigungsprozess verlief nicht ohne Krisen

 

Im Lauf der Jahre wuchs die europäische Staatengemeinschaft geografisch um weitere Mitgliedsländer an. 1968 wird die Zollunion geschaffen, 1979 das erste Europäische Parlament gewählt. Insbesondere Probleme in der Agrarpolitik führten laut Espenschied Anfang der 80er Jahre zu einer tiefgreifenden Krise der Europäischen Union. Jacques Delors, damals Präsident der Europäischen Kommission, versuchte mit dem Vorschlag eines europäischen Binnenmarktes einem drohenden Zerfall gegenzusteuern. Auch externe Faktoren hätten einen bedeutenden Einfluss auf den europäischen Einigungsprozess gehabt, wie etwa der Fall der Berliner Mauer im November 1989, schilderte Espenschied. Die europäischen Nachbarn hatten zunächst Probleme mit einem wiedererstarkten Deutschland, suchten dann aber auf Initiative des französischen Präsidenten Francois Mitterrand Wege, die deutsche Wiedervereinigung mitzugestalten. 1993 wurde dann die heutige Europäische Union gegründet mit dem Auftrag, auch politisch enger zusammenzuarbeiten und den europäischen Binnenmarkt zu vollenden. „Europa sieht heute ganz anders aus als vor 70 Jahren. Der Prozess, der damals mit Schuman begonnen hat, geht langsam und stetig voran, mit viel Luft nach oben und nicht ohne Krisen, wie die Wirtschaftskrise 2008, der Brexit, die Migrationskrise 2015 und die aktuelle Coronakrise zeigen“, schloss Espenschied seine Ausführungen.

 

Demokratische Standards Voraussetzung für Mitgliedschaft

 

Der Referent glaubt nicht, dass es nochmals zu einem Krieg innerhalb Europas kommen wird, räumt jedoch ein, dass „wir uns oft nicht einig sind in den großen Zukunftsfragen“. Auf die Frage nach den Schwächen der Europäischen Union führt er die Nationalismen und Egoismen der Mitgliedsstaaten an. Letztendlich müsse jeder Staat Teile seiner nationalen Souveränität auf die Europäische Union übertragen und so manche seien dazu nicht immer bereit.  Zudem herrsche in vielen Bereichen das Einstimmigkeitsprinzip, was laut Espenschied schnelle und effiziente Entscheidungen verhindere. „Wir können uns das nicht mehr leisten und müssen hier zu Mehrheitsentscheidungen kommen“, zeigte sich der Journalist überzeugt. Bei einigen europäischen Ländern fehlten die demokratischen Standards oder die wirtschaftlichen Voraussetzungen, um Mitglied in der Europäischen Union zu werden, wenngleich es bereits Verhandlungen gegeben habe, so Espenschied auf die Frage nach der aktuellen Zusammensetzung. Umgekehrt gebe es Länder, wie Russland oder Norwegen, die bisher keinen Antrag gestellt hätten.

 

Vorteile einer EU-Mitgliedschaft

 

Immer wieder appellierte der Referent an seine jungen Zuschauer, sich am politischen Geschehen zu beteiligen. „Geht wählen, damit auch eure Interessen gehört und gewahrt werden. Bringt euch ein mit euren Vorstellungen von der Zukunft und profitiert von unseren demokratischen Strukturen, in denen man eine Menge machen kann, aber man muss es dann auch tun“, redete er den Schülern zu. Auch fasste er am Ende nochmals die Fakten zusammen, die aus seiner Sicht für eine Mitgliedschaft in der EU sprechen, darunter die einheitliche Währung, das freie Reisen, Arbeiten und Studieren. Und obwohl Deutschland mehr in die EU einzahle, als es von ihr erhalte, blieben unterm Strich, etwa über Fördergelder, bei jedem Bundesbürger am Ende vom Jahr 460 Euro mehr in der Tasche, meinte er. Abgesehen davon hätte Deutschland allein, mit nur rund einem Prozent der Weltbevölkerung, kein politisches Gewicht in der Welt und gegenüber den Großmächten. Deutschland liege im Herzen Europas und mit neun Nachbarstaaten auf Platz drei der Weltrangliste, gab er den Schülern zu verstehen. Für die Zukunft wünscht sich Espenschied mehr Digitalisierung, ein offenes, europäisches Deutschland und ein schnelles Handeln in den Zukunftsfeldern.

 

Lehrkräfte schätzen Unterrichtsformat

 

Am Ende zählte Espenschied insgesamt 53 Fragen, Beiträge und Kommentare, die im Chatroom eingegangen waren, anfangs etwas zögerlich, dann in zunehmend kürzeren Abständen. Aufgrund der begrenzten Zeit konnten jedoch nicht alle beantwortet werden. „Wir hatten aber das Gefühl, dass unsere Präsentation gut angekommen ist und es hat uns wieder viel Spaß gemacht, junge Menschen für ein politisches Thema zu begeistern“, so Espenschied. Die jeweiligen Fachlehrer wollen noch offene Fragen der Schüler im Unterricht diskutieren und die Inhalte des Vortrags nacharbeiten. Die meisten von ihnen behandeln schon seit längerem das Thema „Europäische Union“ in ihren Klassen, wie etwa Lutzyk im Fach Gemeinschaftskunde der 10e. „Der Vortrag kam bei den Schülern sehr gut an. Es war in dieser Form das erste Mal und somit sehr spannend“, lautete das Resümee von Norma Carow, die als Vertretungskraft vor Ort war. Allerdings mussten die Teilnehmer in kürzester Zeit eine geballte Informationsflut aufnehmen und haben irgendwann auch mal abgeschaltet. Die Aufnahmen waren sehr schnell gesprochen und das war für viele Schüler schwierig zum Mitschreiben. Dies war auch ein Grund warum es für den Zuhörer auf Dauer ermüdend war“, lauten ihre Kritikpunkte. Für Petra Extra, Klassenlehrerin der 9c, war das Thema „Schumann Plan, Gründung der EU“ gut aufbereitet. Sie werde das Thema in der nächsten Stunde auf alle Fälle aufbereiten und vertiefen. „Da meine Klasse bis jetzt weder in Geschichte noch in Gemeinschaftskunde Vorwissen hat, war die Dokulive-Sendung für einige eher zu viele Infos auf ein Mal. Durch die Beantwortung der Chatfragen gab es zumindest auch kleine Pausen im reinen Vortrag“, so ihre Anmerkungen. Insgesamt befürwortet Extra dieses Format in Corona-Zeiten. „Experteninterviews sind immer spannend und beleben den Unterricht. Gerade in den heutigen Zeiten freuen sich Schüler und Lehrer gleichermaßen über Abwechslung“, meint Lutzyk auf Nachfrage des Wildbader Anzeigenblattes. „Die Organisation und die Kommunikation mit dem Referententeam verliefen sehr einfach und unkompliziert“, so die Lehrerin, die sich insbesondere auch bei Herrn Gaus bedankt, „dass er die Veranstaltung ermöglicht hat“.

Bericht: Karin Ferenbach

Veröffentlicht in: Wildbader Anzeigenblatt und Calmbacher Bote vom 9.12.2020

 

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